Steuerliche Erläuterungen zur Anwendung der sog. Klausel des wirtschaftlich Berechtigten für Zwecke der Quellensteuer
Am 9. Juli 2025 wurden die lang erwarteten steuerlichen Erläuterungen zur Anwendung der sog. Klausel des wirtschaftlich Berechtigten für Zwecke der Quellensteuer (nachfolgend: Erläuterungen) veröffentlicht. Die wichtigsten Punkte sind wie folgt:
- Als wirtschaftlichen Berechtigter gilt laut den Erläuterungen eine Einheit, die insbesondere über Autonomie bei der Entscheidung über die Verwendung der erhaltenen Zahlungen (wirtschaftliche Verfügungsmacht) sowie über eine entsprechende wirtschaftlich-personelle Substanz verfügt.
- Die Erläuterungen erlauben die Anwendung des Konzepts der sog. konsolidierten wirtschaftlichen Substanz:
- innerhalb von Mitgliedstaaten der Europäischen Union / des Europäischen Wirtschaftsraums, wenn Steuerbefreiungen auf Grundlage der Umsetzung von EU-Vorschriften gewährt werden,
- oder innerhalb desselben Landes, wenn die Regelungen aus Doppelbesteuerungsabkommen zur Anwendung kommen.
- Die Erläuterungen führen das Konzept des sog. Look-Through-Ansatzes (LTA) ein, das bisher nur in einigen Gerichtsurteilen anerkannt wurde.
- Bei Zahlungen für immaterielle Dienstleistungen ist keine Prüfung des wirtschaftlich Berechtigten erforderlich.
Wirtschaftliche Verfügungsmacht
Um die Definition des wirtschaftlich Berechtigten zu erfüllen, ist es nicht nur erforderlich, formeller Eigentümer der Forderung zu sein, sondern vor allem, die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Forderung zu besitzen. Die Forderung sollte zum eigenen Nutzen empfangen werden, und der empfangende Rechtsträger darf nicht verpflichtet sein, diese Forderung an eine andere Einheit weiterzuleiten.
Der Empfänger muss das Risiko im Zusammenhang mit der konkreten Zahlung tragen. Die Erläuterungen nennen beispielhaft folgende Risiken: das Risiko der Nichterfüllung der Verpflichtung, das Kreditrisiko des Schuldners der Zinsen, das Zinsänderungsrisiko, das Währungsrisiko, das Wechselkursrisiko.
Typische Merkmale eines zwischengeschalteten Empfängers, der nicht als wirtschaftlicher Eigentümer gilt, sind unter anderem:
- geringe Marge bei überwiesenen Zahlungen,
- keine steuerpflichtigen Einnahmen aus den erhaltenen Forderungen,
- Überweisung der erhaltenen Forderungen in kurzen Zeitabständen,
- Fehlen anderer Mittel als der erhaltenen Zahlungen zur Erfüllung von Verpflichtungen,
- keine Reinvestition der erhaltenen Mittel,
- kein Risiko im Zusammenhang mit der jeweiligen Forderung.
Wirtschaftlich-personelle Substanz
- Die Ausübung einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit wird als das Vorhandensein einer angemessenen wirtschaftlich-personellen Substanz verstanden, die im Hinblick auf die jeweilige konkrete Zahlung zu analysieren ist.
- Bei Holdinggesellschaften sollten geringere Anforderungen gestellt werden als z. B. bei Produktionsgesellschaften.
- Die Erläuterungen nennen universelle Kriterien zur Beurteilung der wirtschaftlichen Substanz, darunter: der Besitz von eigenem Vermögen, ein Büro, die Beschäftigung von Personal, die Begleichung von Rechnungen, ausreichendes Kapital zur Finanzierung der Tätigkeit, eigenständige wirtschaftliche Aktivitäten sowie eine Geschäftsführung mit entsprechenden Qualifikationen.
Konsolidierte wirtschaftlich-personelle Substanz
- Es ist zulässig, dass die wirtschaftlich-personelle Substanz innerhalb einer Unternehmensgruppe vorhanden ist und nicht zwingend in jeder einzelnen Gesellschaft. Die Tatsache, dass ein Unternehmen die Substanz eines anderen Unternehmens innerhalb der Gruppe nutzt und/oder dafür keine Kosten trägt, schließt den Status als wirtschaftlicher Eigentümer nicht aus.
- Voraussetzung ist, dass die wirtschaftlich-personelle Substanz von einem Unternehmen mit Sitz in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat bereitgestellt wird. Im Falle eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) muss diese Substanz von einem Unternehmen aus demselben Staat bereitgestellt werden.
Look-Through-Ansatz (LTA)
- Die Erläuterungen erlauben die Anwendung des LTA, wenn die Zahlungen innerhalb der Unternehmenskette gleichartig sind (z. B. Zinsen-Zinsen oder Dividenden-Dividenden); eine Betragsidentität ist jedoch nicht erforderlich.
- Das Recht zur Anwendung des LTA muss vom Zahlenden nachgewiesen werden.
Umfang der Prüfung durch den Zahlenden
- Bei Zahlungen an verbundene Unternehmen ist ein höheres Maß an Sorgfalt erforderlich, einschließlich der Prüfung aller Umstände, die zur Qualifikation als wirtschaftlicher Eigentümer führen.
- Bei Zahlungen an nicht verbundene Unternehmen beschränkt sich die Pflicht des Zahlenden auf die Überprüfung der Ansässigkeitsbescheinigung und der Erklärung des Steuerpflichtigen, dass die Voraussetzungen für den Status als wirtschaftlich Berechtigter erfüllt sind.
Prüfung durch technische Zahlstellen
- Technische Zahlstellen können die Erfüllung der Voraussetzungen für den Status als wirtschaftlich Berechtigter prüfen, sofern dies nicht im Widerspruch zum Jahresabschluss und Handelsregisterauszug des betreffenden Unternehmens steht.
Die Erläuterungen sind von zentraler Bedeutung für Quellensteuerpflichtige und -zahler. Sie können sich positiv auf die bisherige Praxis der Steuerbehörden auswirken und zu Entscheidungen führen, die der wirtschaftlichen Realität besser entsprechen. Auch wenn die Erläuterungen nicht perfekt und teilweise unpräzise sind und viele von Steuerberatern aufgeworfene Fragen unbeantwortet bleiben, stellen sie dennoch einen Schritt in die richtige Richtung dar. Es lohnt sich, aktuelle Fälle zu analysieren, um festzustellen, welche Lösungen nützlich sein könnten.
MDDP-Experten sind bereit, Sie zu unterstützen bei:
- der Festlegung der korrekten Besteuerungsregeln für Quellensteuerzahlungen an Nichtansässige sowie dem Nachweis der Erfüllung der Voraussetzungen für die Anwendung von Quellensteuervergünstigungen (einschließlich der in den WHT-Erläuterungen genannten Bedingungen für die Anerkennung eines Unternehmens als wirtschaftlich Berechtigter einer bestimmten Zahlung);
- dem Erhalt einer Stellungnahme zur Anwendung von Steuervergünstigungen;
- der Überprüfung der Konzernstruktur im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung der in den Erläuterungen dargestellten Konzepte der konsolidierten Substanz oder des Look-Through-Ansatzes;
- der Bewertung der Auswirkungen der Erläuterungen auf laufende steuerliche oder zollsteuerliche Prüfungen im Bereich der Quellensteuer;
- der Analyse der Auswirkungen der Erläuterungen auf laufende Rückerstattungsverfahren im Rahmen des „Pay & Refund“-Verfahrens sowie der strategischen Entscheidung, ob diese Verfahren fortgeführt oder die Argumentation angepasst werden soll;
- der Anpassung interner Prozesse an die Anforderungen, die sich aus den Erläuterungen ergeben.
Bei Interesse an den oben genannten Informationen und deren Auswirkungen auf Ihr Unternehmen wenden Sie sich bitte an
| Katarzyna Kozakowska | katarzyna.kozakowska@mddp.pl | +48 608 581 583 |
| Anna Wnuczek | anna.wnuczek@mddp.pl | +48 503 975 898 |
oder Ihren Berater bei MDDP.
Dieser Tax Alert stellt keine rechtliche oder steuerliche Beratung dar. MDDP Michalik Dłuska Dziedzic & Partners spółka doradztwa podatkowego spółka akcyjna übernimmt keine Haftung für die Verwendung der in diesem Alert enthaltenen Informationen ohne vorherige Rücksprache mit rechtlichen oder steuerlichen Beratern.

